Unsere Geschichte


Die Anfänge der Geschwisterschaft gehen auf das Wirken von Klaus Vollmer (1930-2011) zurück, damals Pastor der Ev.- luth. Landeskirche Hannovers. Im Rahmen seiner volksmissionarischen Tätigkeit sammelte er in den 1960er und 70er Jahren in der Studierendenarbeit vorwiegend junge Männer um sich. Diese waren fasziniert von der Weite des Denkens und der Intensität seiner Verkündigung. Es entwickelten sich verbindliche Regeln und Absprachen bis hin zur Vision einer Kommunität und eines Lebens in Ehelosigkeit.

1977 wurde die Gemeinschaft als Bruderschaft mit dem Namen „Kleine Brüder vom Kreuz e. V.“ gegründet. 1978 wurde Hof Beutzen 3, ein altes Gutshaus in der Nähe von Hermannsburg in der Lüneburger Heide (Landkreis Celle), als Zentrum der Gemeinschaft und Gästehaus angemietet, unter enormen Einsatz renoviert und bis 2007 geführt.

Das besondere Charisma Klaus Vollmers sowie verbindliche und durchaus elitäre Strukturen verliehen der Bruderschaft in den Anfangsjahren für viele eine große Dynamik und Anziehungskraft. Viele richteten ihre Berufs- und Lebenspläne danach aus, der Idee einer engen Glaubens- und Lebensgemeinschaft folgend. Heute werfen wir auf diese Zeit auch einen kritischen Blick: Es kam in diesen Jahren zu einem übersteigerten Verständnis von Berufung, von Verpflichtung und von persönlicher Bindung zum Leiter. Unzulässige Übergriffe in einzelne Biographien, unzureichender Abstand zwischen Seelsorge und Beeinflussung sowie die Abwertung von Frauen in Rede und Umgang sind zu beklagen.

Auch von Klaus Vollmer selbst mit angestoßen, begann Mitte der 1980er Jahre ein langer Prozess der Wandlung. Etliche Brüder der Anfangszeit verließen die Gemeinschaft. Klaus Vollmer trat als Leiter immer mehr in den Hintergrund, ein Nachfolger in dieser Funktion wurde bewusst nicht eingesetzt. Ein demokratisch gewähltes Gremium (Konventsrat) übernahm die Leitung der Gemeinschaft. In den 1990er Jahren traten Frauen in den Konvent ein, die Tagungen wurden auch für Familien ausgerichtet. Es begann ein Miteinander aller Generationen. Nach Ablauf einer Dekade der Diskussion wurde 2011 der Name in „Evangelische Geschwisterschaft“ geändert und so der faktischen Veränderung Rechnung getragen.

Im Frühjahr 2017 erfuhren alle Geschwister, dass es in früheren engen Vertrauensverhältnissen mit Meister-Jünger-Charakter neben Abhängigkeiten auch sexuelle Übergriffe sowie längerfristige sexuelle Beziehungen gab. Das betrifft die Anfangszeit bis zum Beginn der 1990er Jahre. Es zeigte sich die Notwendigkeit einer umfassenden Aufarbeitung.

Unterstützt von der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers hat die Geschwisterschaft eine unabhängige Kommission eingesetzt mit dem Auftrag, die Sachlage zu erfassen und damit die Basis für persönliche und gemeinschaftliche Aufarbeitung zu schaffen.
Der Bericht der Kommission liegt seit November 2020 vor. Er dokumentiert Machtmissbrauch auf seelsorglicher, geistlicher und sexueller Ebene, der die Lebensführung und Lebensentscheidungen Einzelner nicht unerheblich beeinflusste. Von diesen missbräuchlichen Verhaltensweisen distanzieren wir uns heute entschieden.

Wir sehen klar, dass es neben einer Segensgeschichte auch eine Machtmissbrauchs- und eine jahrzehntelange Schweigegeschichte gegeben hat. Die interne Aufarbeitung ist noch nicht abgeschlossen. Ein Schutzkonzept - verbindliche Vereinbarungen gegen missbräuchliches Verhalten - ist in Arbeit.

Die Geschwisterschaft lebt heute ein gleichberechtigtes Miteinander von Frauen und Männern. Durch regelmäßige Tagungen zu aktuellen Themen des Lebens und des Glaubens, ein verbindendes Geschwisterschaftsgebet und persönlichen Austausch stärken und stützen die Mitglieder einander. Der Glaube an den dreieinen Gott ist und bleibt Basis und Mitte der Gemeinschaft, die auf Offenheit und Vielfalt, Wertschätzung, Achtsamkeit und geistliche Selbstbestimmung Wert legt.

Kontakt: Claudia Brandy (kontakt@geschwisterschaft.de)

1. September 2021

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Bericht der Aufarbeitungskommission
Für alle, die näheres Interesse an der Aufarbeitung haben, stellen wir den Bericht hier zur Verfügung.

18. Februar 2022